Nätürchlich habe ich gestern auf der Lästerbank im Kurpark gesessen- und zum Ausgleich stelle ich mich heute dem Lästern und Spotten zur Verfügung indem ich meinen Kur- Tagesdablauf schildere: Kommentare dann später.
Der Wecker klingelt um 6.20 Uhr – meist bin ich jedoch schon gegen 6.00 Uhr wach, weil ich nicht abgedunkelt schlafe und deshalb das Tageslicht mich schon geweckt hat. Dann beginne ich den Tag mit Meditation und einigen Yogaübungen; ich habe bisher geübt: Die Schwalbe, Das zusammengerollte Blatt, Die Berghaltung und die Tibetanischen Niederwerfungen; vor allem Letztere kann ich nach dem 3. Mal schon flüssiger. Alternativ dazu habe ich aus dem Qigong angefangen ‚Die Acht Brokaten‘ zu üben. Ich denke ich werde jetzt mit diesen beiden Bewegungsübungen abwechselnd den Tag beginnen.
Ab 8.00 Uhr Frühstück – ich habe jetzt dem netten Fräulein beigebracht das ich ohne Aufforderung einen Kaffee an meinen Platz gestellt bekomme; ansonsten buffettförmig mit Vollkornbrötchen, Obst, Quark – manchmal einer Scheibe Schinken oder einer Scheibe Käse. Dann packe ich mir – ganz gegen jede Hoteletikette einen Proviantteller für Mittag (wieder ein Vollkornbrötchen und zwei Stück Obst – Apfel und/oder Banane und/oder Kiwi und/oder Birne.
Dann habe ich wechselnd – einen über den anderen Tag entweder frei bis 10.30 oder so ein H2O-Sprudelbad mit Melisse (lockert die Muskeln – wie Wirlpool) und schadet nicht. Dann oder vorher schwinge ich mich mit meinen Stöcken in den Kurpark zum Walken – auch ziehe ich mitlerweile größere Runden Richtung Salinental – heute in den Wald hoch – wo ich Mittfünziger begegnet bin, der ebenfalls walkend mit Hund und Musik am Ohr meinte mein Stil sei schon o.k. – nur noch mehr Gelenkeinsatz mit den Händen und mit Überschuh für die Stöcke empfohlen, damit ich nicht so abrutsche und nicht so ein entsetztliches Klappergeräusch mache; (die Männer haben immer etwas technisches am Sport- was sie interessiert). Dann zurück über den Kurpark zum mediteranen Wassertretbecken – wirklich ordentlich kalt – und die Füße hinterher in der Luft trocknen lassen.
Alle zwei Tage habe ich denn gegen 11 Massage und hinterher eine Fangopackung für den Rücken. Ein irgendwie muskelbepackter Masseur unbestimmten mittleren Alters macht eine luschige Rückenmassage und ist schrecklich depressiv – immer schlimmer – auch in Zukunft – die Leute werden immer älter – nur noch Aufzüge, früher kamen die Rentner noch Treppen hoch u.s.w..
Dann habe ich Mittagspause mit meinem Picknick auf dem Zimmer – Frau L. aus Bad Cleve wird wissen, das ich das liebe – und hierzu mache ich mir mit dem mitgebrachten Wasserbereiter einen Tee – nett nicht!
Ab 14.00 beginnt das Nachmittagsprogramm. Bisher gab es entweder kleine oder größere Wanderungen (geführte Gästewanderung oder mit Kur-Bekanntschaft selbständig unternommen, Fahrradtour oder Bahnenschwimmen in einem Freibad (24 Grad Wassertemeratur) und einmal Thermenlandschaft mit Saunagarten. Ab und an ist bei den Wanderungen eine Kaffee und Kuchenpause drin. Wenn ich Lust habe gehe ich zurück über den Kurpark und trinke von den besagten Quellen meine Portion. Um 18.00 Abendessen – meist warm, machmal als Buffett. Ich muss dem Koch noch beibringen das ich das Essen nicht so schrecklich versalzen mag – ich habe noch, im Unterschied zu den 70-80jährigen entwickelte Geschmacksnerven. Dann wieder hinunter in den Kurpark wo es fast jeden Abend Kurkonzerte giebt- das kann ich mir aber nur eine weile anhören – seichtes Operettenrepertoir – das Saal ist mit ca 300-400 Menschen gänzlich voll und leider von einem bömischen Orchester schrecklich verschliffen (Kaufhausmusik – zwischendurch merke ich, das die Musiker tatsächlich spielen können). Dann Lesesaal (aus dem 19.Jhd; geschmackvoll modernisiert) mit ca 50 Tageszeitungen – auch den Kölner Stadtanzeiger und Internet. In der Dämmerung einen kleinen Abendspaziergang und dann in’s Bett. Die Madame de Stael-Biografie von Christpher Herold – schon lange angefangen – habe ich noch nicht ausgelesen – bleibt aber unterhaltsam und spannend.
Zum Ablästern freigegeben wünscht die Kurgästin noch einen schöne weitere Woche;
ich jedenfalls habe noch einiges zu berichten – da morgen nun tatsächlich jüdische Kulturtage stattfinden – eine israelische Deligation ist heute abend in unserem Hotel angekommen – und die Festveranstaltungen=Rakocyfest am Donnerstag beginnen werden.
Liebe Grüße
Schlechte Träume, schlechte Laune und wenig Zeit hatte mein Namensvetter, der Fürst Hermann von Pückler-Muskau, Ende August 1848 in der Kur:
„Kissingen, den 29.
Ich wohne im Kurhause, nicht gut. Der Badearzt behauptet, daß ich Kissingen brauchen muß. Ich will es aber bis zum nächsten Jahr aufschieben, wenn ich dann noch lebe, da ich unmöglich mein schönes Reiseprojekt aufgeben kann.
Den 30.
Wie grausam ist der Mensch! Ich sah heute Forellen fangen, welche lebendig aufgeschnitten und ausgeweidet wurden, Als ich es der Magd verwies, und ihr sagte, sie solle die armen Thiere doch erst tödten, lachte sie, und meinte: das käme wohl auf eins raus, denn sterben müßten sie doch. Es ist etwas Furchtbares in dieser durch die ganze Natur fortlaufenden Naivetät des grausamsten Egoismus – denn nur aus Faulheit handelte das übrigens sehr treuherzig und gutmüthig aussehende Mädchen so kannibalisch. Es ging so schneller und bequemer für sie, weiter dachte sie nichts dabei. So sind die Thiere gänzlich hülflos gegen uns, eigentlich überall der Schwächere gegen den Stärkeren…
Im Restaurant zur Oelmühle gegessen, der von zwei Jungfern gehalten wird, wovon die eine 75 und die andere 42 Jahre zählen. Auf der Promenade Frau von Hohenhausen, die Dichterin und Mrs. Robinson, Verfasserin des Lebens der Königin von Preußen, kennen gelernt, ferner den Regierungspräsidenten Grafen Fugger und Andere. Alten Bekannten in Graf Laporta wiedergefunden, der mir das Kissinger Wasser empfiehlt.
[…]
Den 2. September. Nach Boclet. Zu Haus zu Fuß gegangen. […] Der 1600 Fuß tiefe artesische Brunnen hat bereits 75,000 Florin gekostet. Neue Theorie über die Erde. Mehr oder weniger dicke Rinde. Leere mit Dämpfen und Gas angefüllte Region; in der Mitte ein glühender Kern. Flämisch theilt mir folgende ältere Prophezeiung mit: Im Jahre 47 möchte ich kein Baum sein, (nie war ein reicheres Obstjahr, und die Bäume mehr von Obst erdrückt), im Jahr 48 kein Fürst (wir wissen, wie es ihnen geht), im Jahr 49 kein Soldat (dies ist zu erwarten), wer 50 erlebt, mag Gott für sein Glück danken. (Die Cholera schon da, und der Krieg vor der Thür.)
Den 3., früh 5 Uhr.
Das partielle Brunnentrinken hier scheint mir doch nicht zu bekommen, denn ich habe heute Nacht an einer abscheulichen Indigestion gelitten, und nicht schlafen können. Nur eine halbe Stunde dicken, unruhigen Schlummer, während dessen einen wunderlichen Traum. Meine gute Schnucke (die mich doch schon leit lange nicht mehr so liebt als sonst) heirathete einen Andern hinter meinem Rücken. Sie war wieder jünger im Traum, so als ich sie heirathete. Ich fand sie, da ich ihr nachgereist, in einer Stadt mit ihrem neuen Bräutigam, einem hübschen, sanften, sehr anständig aussehenden Mann, ihrer Tochter, die mich triumphirend ansah, meiner verstorbenen Schwester Clementine, der gleichfalls Schadenfreude auf dem Gesicht geschrieben stand, und Andere der Familie. Alle waren im Begriff, zu packen und abzureisen. Ich weinte und war trostlos, Lucie auch, wandte sich aber immer von mir ab, ohne mir Rede stehen zu wollen. Eine Diligence fuhr vor, und da ichmeine Schwester aufsteigen sah, sprang ich auch auf den Bock, um mitzufahren. Immer weinend und voll Kummer, kamen wir auf der Station an. Ich folgte Clementinen, die auch wieder jung war, auf ihre Stube, und frug, wo Lucie wäre. Sie anbtwortete lächelnd, sie wisse es nicht, wahrscheinlich wäre sie in der Stadt geblieben. In Verzweiflung lief ich durch das Haus, und wollte wieder zurück, da sah ich durch eine offene Thür Adelheid auf ein Bett hingeworfen, und in der Ecke den Bräutigam mit seiner Toilette beschäftigt, mich ehrerbietig grüßend, als er mich gewahr wurde. Adelheid lachte höhnisch. Ich suchte nur nach Lucie, und erblickte in der Ecke noch ein Bette, worin jemand sich unter der Decke zu verbergen suchte. Ich sprang hin, riß die Decke weg, und Lucie lag darunter im Brautkleide ganz mit Blumenguirlanden bedeckt, und schien auch zu weinen, wandte aber trotz meines innigsten Zuredens ihr Gesicht beharrlich von mir ab. Mit einem Schmerzensruf erwachte ich, und fühlte mich entsetzlich unwohl. Zugleich kam der Diener herein, und sagte, es sei halb fünf, ich müsse aufstehen. Dennich wollte mit dem frühen Eilwagen ab nach Bamberg.
Sonderbar war es, daß ich gegen den Bräutigam, einen gesetzten, wohlwollend aussehenden Mann, gar keinen Groll fühlte, nur gegen Adelheid, diemir im Traume wie die Anstifterin der ganzen Sache und wie mein böser Geist vorkam. Wie unbegreiflich seltsam mischt der Traum Wahres und Widersinniges.
Nach Bamberg, noch immer krank. In Schweinfurt gefrühstückt, und das schöne Schloß Mainberg in dieser freundlichen Gegned bewundert. Wie so viele alte Adelsschlösser ist es auch zur Fabrik umgewandelt, und gehört dem Kaufmann, Tapetenhändler Sattler. Ich bliebim wohlbekannten deutschen Hause.
Hallo, leider konnte ich der Einladung zum Lästern noch nicht folgen, da ich mit Steuererklärungen beschäftigt war, was meine ganze geistige und körperliche Konzentration erfordert.
Gut gefallen mir die Namen der Übungen, die du morgens vollführst, da werde ich mir auch mal was überlegen. Bisher war meine Lieblingsübung „Aufgescheuchtes Huhn, das von Aktenordner zu Aktenordner flattert und wilde Flüche ausstößt“.
Weiterhin viel Spaß beim Baden, Walken und Kuren. Liebe Grüße, Karin
Liebst Frau L. aus Bad Cleve der lustigen Übungen gibt es noch mehr, eine übung heißt ‚die 5 Übel und die 7 Unglücke hinter sich lassen‘ – ich wünsche Dir jedenfalls das Dein Übel der Steuererklärung bald hinter Dir ist. Dann kannst Du die Übung machen ‚wie der Fisch mit dem Schwanz wedeln und den Mond anheulen‘ – alles so in meiner Anleitung und warscheinlich sehr frei/oder zu eng aus den Chinesischen übersetzt.