Von der Schwierigkeit künstlerischer und historischer Rekonstruktion des 19. Jahrhunderts

Auch Umzüge in historischen Kostümen sind solche historische Kulissenschieberei; wie Schützen- und Volksfeste die ich als Jugendliche emotional ablehnte, weil hier in historisch angelehnter Tracht so gespielt wird, als sei die Rezeption des 19. Jahrhunderts trotz Antsemitismus unverbrüchlich möglich.

Das Fest hier in Kissingen bedient in gigantischer Weise das Klischee der ‚Guten Alten Zeit‘, das nichts will, außer einer süßen Stimmung zu verbreiten ‚um den Betrachtern das denkende Urteil zu ersparen‘. Meinen derzeitigen Gedankengängen entsprechend, fand ich in der heutigen Frankfurter Allgemeinen einer sehr lesenswerten Artikel, von Dietmar Dath geschrieben,  zu dem Comic „Judenhass“ von Dave Sim. Hier wird etwas ausgehandelt, was sich bis heute als nur schwer zu lösen erweist. Weiter im Artikel und mit den Worten des Zeichers: Der Massenmord zerreißt „die Menbran der moralischen Intuition, durch die das Bewusstsein meines Publikums Fakten wie die von der Judenvernichtung aufnehmen will, um sie zu bewerten.“ Wie versucht der Zeichner Dave Sim dieses Dilemma aufzulösen? Er tritt scheinbar die Flucht nach vorne an, er bevorzugt in Schwarz-Weiß den fotorealistischen Comic-Stil. Und weiter Zitat aus dem Artikel von Dietmar Dath : „Gegen die Nazipolitik der Aussonderung, Einzäumung und Ermordung setzt Sim die grafische Verdeutlichung aller Verbindungen zwischen dem Jüdischen und dem Nichtjüdischen die sein Medium ihm bereitstellt.“

Leider war ich gestern und heute zu optimistisch bezüglich der ‚PR-Arbeit‘ für die Varnhagen Gesellschaft. Nachdem mir ein Kur-Mitarbeiter das Auslegen der Flyer heute am Vormittag genehmigte, waren alle Flyer (4 Stück) und noch 6 Kopien verschwunden. Bei den anderen Prospekten hatte sich nichts verändert, so fragte ich einen weiteren Mitarbeiter – „Ja da dürfen Sie nichts auslegen – da müssen Sie um Genehmigung beim Kulturdirektor ersuchen.“ Als zuständig erwies sich dann eine Frau Büttner – im Dirndel. „Für ihre Kurgäste ist das nix, das wisse Sie genau, Sie mache jetzt jahrelang, die Kulturarbeit für das Staatsbad … Und ich solle das ruhig irgend wohin schreiben.

Jetzt werde ich vermutlich zwei Tage außerhalb des Staatsbades verbringen und je nach Wetterlage zuerst einen Hochröhn-Ausflug und dann eine Reise nach Aschaffenburg unternehmen, um mir die Doppelausstellung Spitzweg/Busch anzusehen. Der Klischee-Kulisse bin ich jedenfalls überdrüssig, obwohl ich noch keine Festkostüme selbst gesehen habe, nur Fotos des vorausgegangenen Jahres,  gibt es in den Schaufenstern eines Hutmachers entsprechende historische Roben zu bestaunen, dort erfragte ein Ehepaar nach dem Zylinderverleih für den Ball u.s.w. . In der Gründerzeitvilla des Schlosses Aschach habe ich mir gestern ein nettes lichtblaues Biedermeierkostüm ausgesucht – nicht bodenlang, sondern wadenlang geschnitten – damals konnte Frau noch ausschreiten – später kam dann wieder der Schnürleib und der Ausstaffierte Po.

5 Responses to “Von der Schwierigkeit künstlerischer und historischer Rekonstruktion des 19. Jahrhunderts”

  1. Bad Cleve sagt:

    Hallo, habe ich das richtig verstanden, du promenierst jetzt im wadenlangen Biedermeierkostüm? Oder war das mehr ein virtuelles Aussuchen? Bitte, wir wollen Fotos sehen!!
    Deine dekadente Badereise in eine elegante, wenn auch fiktive Vergangenheit hat mich sehr inspiriert und ich werde es dir gleich tun, naja, ähnlich. Ich habe mich zu einer Badereise an Côte d’Azur und Riviera entschlossen, ab Sonntag werde ich auf der Promenade des Anglais in Nizza lustwandeln und mich an eleganten Hotels und Villen aus dem (vor)letzten Jahrhundert erfreuen. Und eine Viertelstunde Bahnfahrt entfernt von Nizza liegt das mondänste Casino der Welt, Monte Carlo, soll ich mich auch mal im Roulette versuchen? Aber kommt man dort einfach so rein? Ich habe kein Biedermeierkostüm und keine goldene Kreditkarte im Gepäck. Hoffentlich finde ich auch ein Internetcafé und kann meine Eindrücke bloggen, sonst wünsche ich dir auf jeden Fall weiterhin viel Spaß und Erfolg. Liebe Grüße, Karin

  2. Dann gibt’s ja bald eine Bouillabaisse, oder besser gesagt, -hausse im mittelländischen Meer? Hauptgericht in Nizza ist nicht Pizza, sondern (soviel ich weiß) der berühmte Salad Nixoise… Aber wie haben Asterix und Obelix den bei ihrer „Tour de Gaule“ ausgerechnet in verkorkten Amphoren zurück in die Bretagne gebracht?
    Was sagt denn mein fürstlicher Namensvetter dazu (Pückler an Wolff, 14. Dezember 1808): „Einen angenehmen Eindruck machten mir in Nizza die Orangen- und Zitronenwälder mit ihren goldenen Früchten, der ewige Sommer und das ununterbrochene Grün, welches noch jetzt Berge und Thäler bedeckt. Unser Tisch war täglich mit frischen Zuckerschoten, Radieschen, Kopfsalat, Blumenkohl u.s.w. bedeckt, und die Sonne allein heizt unser Zimmer.“
    Wenn du einen Ausflugtipp willst, fahr mal nach Vence, das ist ein schöner Ort hoch über dem südfranzösischen Äquivalent des Grand Canyon, und sehr sehenswert, Cocteau, Picasso & Co. haben sich dort immer wieder aufgehalten und angeblich die Kühlschränke im Terrassen-Aussichtslokal bemalt, und die Landschaft ist märchenhaft! Und was ist mit Saint-Trop?! da findet sich vielleicht ein Millionär, der einen zum Schwofen auf die Yacht einlädt. Viel Spaß auf der Promenade unter Palmen wünscht MixedPueckler

  3. Bad Cleve sagt:

    Ach ja, der Pückler, hat er übrigens auf der Promenade des Anglais herumgeflirtet, um eine reiche Frau zu finden? A nous, les petites Anglaises! Mein Reiseführer vermerkt zu Cannes übrigens, die Kuppeldächer des Hotel Carlton seien den Brüsten von „La Belle Otero“, einer berühmten Kurtisane des 19. Jh., nachgebildet. Und über die Küstenstraße: „Im Sommer hat man Mühe, die Straße vor Abgasen und Autos noch zu erkennen.“ Ich hoffe mal, da hat sich der Autor nur geärgert, dass er bei einer Nixe abgeblitzt ist, und nun redet er schlecht über Cannes. Über Nizza sagt er nämlich nichts dergleichen. Vence steht schon auf meinem Programm, ich habe auch einen Edding eingepackt, um notfalls Kühlschränke zu bemalen. Vielleicht fahre ich auch noch mit der Pinienbahn in ein echtes Bad, Digne-les Bains. Im Internet steht aber immer was von Ersatzbussen, nicht so toll. So, bald geht meine wildromantische Bahn (Bocholter) Richtung Düsseldorf, also wünsche ich euch allen eine unwetterfreie Woche und auch sonst alles Liebe! Karin

  4. luise sagt:

    Cote d´Azur – das ist ja wunderbar!
    Ich war im September dort, und es war einer der schönsten Urlaube überhaupt. Dieser Landstrich ist ein Traum – die Farben und die Stimmung wirklich ein bißchen wie aus dem Bilderbuch. Nizza ist eine sehr grosse Stadt, ich fand Cannes reizender. St. Paul de Vence und die kleinen „villages perchées“ sind sehr zu empfehlen! St. Tropez ist sehr sympathisch und recht überschauhbar – Glamour und Hafenatmosphäre.
    Dann ist ja fast der ganze Vorstand auf Reisen unterwegs – sehr schön. Was ist mit Dir, lieber Mixed Pückler? Planst Du auch eine Reise?

    Viel Spass, bon voyage und à bientot!
    Luise

  5. admin sagt:

    Andree aus Amerika schreibt:
    BAdereisen, ja, wir waren in dem LAke Powell in der Nähe von Page schwimmen, der Boden war knallheiß, trostlose Wüste drum herum und Steine in leicht geschwungenen Formationen wie eine Tontopfstätte. Jan schmierte Erik wie einen Elefanten, der sich ein Schlammbad gönnte ein, bis der Kleine aussah wie ein Albino Aborigines. ICh zog es vor im Wasser zu tummeln. Angela sowieso. HEute sind wir am Bryce Canyon und haben die STeinformationen mit den roten
    Spitzen NAdeln betrachtet

    Schöne Grüße

    Andree

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