An der Tafel, rechts von mir Frau A aus W., besser gestellte Witwe, mit viel Schmuck und einer ausgewält vornehmen rheinischen Diktion, an der Tafel links von mir das Fräulein aus Bayreuth. Das Fräulein spricht immer so leise beschwert sich Frau A., die sich matronenhaft über Ihre Pfunde mit neuen Kleidern hinwegtröstet ; das Fäulein ist Jahrgang 1920, und schon ziemlich klein und dürr geworden. Ihr gegenüber ein schweigsamer dünner Mann mit einer auffällig roten Nase, obwohl er immer nur Kamillentee trinkt. Das Fäulein hat herausgefunden, das er Jahrgang 1919 sei; und jetzt wundert sie sich fipsend; warum er wohl am Leben; wo alle ihre Bekannten geblieben seien. Der Mann, standhaft schweigend, erzählt mir später, er sei aus Gelsenkirchen; Ich frage Ihn direkt, ob er am Hochofen gearbeitet habe; er sagt er habe 56 Jahre lang in der Gießerei gearbeitet, und leider die Unfälle, und dabei sei auch sein Bein beschädigt worden.
Das Fräulein, schon etwas wackelig in der Knien, hatte von dem Minnesänger Otto von Henneberg-Botenlauben gehört (in der manessischen Liederhandschrift mit 16 Liedern und einer Bildtafel vertreten) – hat sie mal in einem Buch von gelesen. Nun gibt es hier nicht unweit die Burgruine Botenlauben, da wolle sie hinauf. Sie fand einen Bus mit gleichlautender Haltestelle, und wenn der hinunter dann kann ich auch hinauf. Am gleichen Nachmittag war auch die Gästewandergruppe dorthin unterwegs. Unser tapferes Fäulein wurde nun, von besagter Wandergruppe, an der Bushaltestelle abgefangen und ihr wurde von diesen Wanderen, die einigen 100 m über Geröll bis zur Höhe hinaufgeholfen. Es waren nette Leute aus ganz Deutschland, auch Hamburger, ach es war so romatisch dort oben. Abends ist das Fräulein stolz und läßt sich von mir zu einem halben Glas Wein einladen.
Unser Otto von der Botenlauben war verheiratet mit einer Beatrix von Courtenay, die er in Akkon, auf einem Kreuzzug kennenlernte und dort verehelichte. „Ich trage Fesseln, die kein Blick kann schauen. Bezwungen haben sie mir Herz und Sinne, Ihr holder Reiz ist schuld, daß andere Frauen mich zeihn, ich übe nicht die rechte Minne. Doch der Liebe pflege ich nur zu einem Weibe,…“ Die beiden sind hier in der Nähe, in der Klosterkirche von Frauenroth, mit figürlichen Grabplatten im Kirchenschiff begraben – beide haben, wie es so Sitte – niedliche Hündchen zu ihren Füßen herausgemeißelt bekommen (zugetragen hat sich dies alles in der Zeit zwischen 1175 – 1244).
Einen schönen Abend wünscht die Badreisende aus Kissingen